Berlin. Der ehemalige DDR-Freizeitpark hat eine teils absurde Geschichte hinter sich. Eine Führung bietet deutlich mehr als pure Nostalgie.
„Wer war schon einmal hier?“, fragt der Tourguide die vor ihm versammelte Gruppe an Spreepark-Interessierten. „Ob als Kind oder vielleicht sogar illegal.“ Ein paar Hände gehen vorsichtig in die Höhe, manche schmunzeln, ob der Tatsache, dass der ehemalige „VEB Kulturpark Berlin“ vor allem als Lost Place beliebt und der Zutritt für Unbefugte verboten ist.
Seit 2001 ist das Gelände im Plänterwald geschlossen, später wurde es zu einem Drehort für internationale Filmproduktionen und sogar Teil einer Kokainschmuggel-Geschichte. Heute werden in dem einstigen DDR-Vorzeige-Freizeitpark, der 2014 vom Land Berlin aufgekauft wurde, Führungen angeboten. Es gibt einiges zu erfahren, jedoch nicht mehr allzu viel zu sehen. „Vieles von damals existiert nicht mehr, deshalb muss ich die Erwartungen schon einmal runterschrauben“, erklärt der Tourguide. Ein Schwerpunkt dieses Rundgangs liegt auf der Zukunft des brachen Areals.
Vergnügungspark lockte rund zehn Prozent der DDR-Bevölkerung an
Zunächst aber zur Vergangenheit: 1969 wurde der Vergnügungspark für die Ostberliner Bevölkerung geöffnet. Eine ständige Kirmes, die jedes Jahr rund 1,7 Millionen Besuchende anzog – oder zehn Prozent der zeitweise rund 17 Millionen Einwohner starken DDR, wie der Tourguide betont.
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Achterbahn, Rutschen, Riesenrad. Letzteres war damals schon von weitem zu sehen. Heute nicht mehr. Nur noch die Plattform, auf der die riesige Attraktion stand und die Einzelteile, die wohlgeordnet und umzäunt auf dem Gelände gelagert werden. Das Riesenrad war beliebt – nicht nur während der Betriebszeiten.
Auf Youtube kursieren Videos von Leuten, die sich auf das Fahrgeschäft wagten, als der Park bereits geschlossen war. Durch den Wind wurde das Rad langsam und unregelmäßig angetrieben. Das rostige Gestell brachte Godzilla-artige Geräusche hervor. Manche illegalen Besuchenden mussten vom Sicherheitsdienst aus den Gondeln gerettet werden, wenn der Wind nicht mehr wollte.
Irgendwann soll das Riesenrad zurückkommen – als einziges Fahrgeschäft auf dem Gelände, so der Tourguide. Bis dahin seien aber noch einige bürokratische Hürdensprünge zu schaffen. Bereits heute werden Teile des Spreeparks wieder genutzt. Von dem ehemaligen Restaurant, in dem Gerichte aus anderen osteuropäischen Staaten serviert wurden, ist ein Ort der Kultur übriggeblieben. Unter dem blauen Gestell finden Konzerte, Poetry Slams oder fahrradbetriebene Kinos statt, bei denen die Gäste strampeln dürfen.
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Ideenwettbewerb für Zukunftsgestaltung des Geländes
Einen Großteil der Fläche hat sich die Natur allerdings zurückerobert. Nachdem der Park nach der Wende in private Hände fiel, ließ der neue Betreiber den Asphalt aufbrechen. Aus dem grauen, harten Untergrund entstand grüner, saftiger Boden, aus dem verschiedene Pflanzenarten und Gräser emporsteigen. Der Wildwuchs bietet unterschiedlichen Tierarten einen geschützten Raum, wie einer weißen Eule, die die volle Aufmerksamkeit der Besuchenden genießt.
„Ist doch schön, dass das Gelände brach liegt und so viel Natur zu sehen ist“, sagt eine Tourbesucherin zu ihrem Begleiter. Laut Tourguide ist bei den zukünftigen Nutzungsplänen des 24 Hektar großen Areals ein Viertel für den Artenschutz reserviert, doch ist noch nichts in Stein gemeißelt: Bis 2026 soll der Spreepark schrittweise ausgebaut werden. Ideen für die Gestaltung sind immer willkommen, wie der Grün Berlin-Mitarbeiter erklärt. „Es gibt bereits mehr als 1300 Vorschläge.“
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Ideen gibt es auch für noch erhalten gebliebene, jedoch leblose Attraktionen. Die Tassen des Nesquick-Karussells, in denen Besucherinnen und Besucher des Freizeitparks früher saßen, könnten bald als Sitzgelegenheiten für ein neues Café dienen. Entspannen statt rumgeschleudert werden. „Ich fand das Karussell echt krass und schnell“, erinnert sich ein Tourbesucher, der den Vergnügungspark noch geöffnet erlebte.
Der ehemaliger Betreiber und das internationale Drogengeschäft
Bei der Tour scheinen viele Erinnerungen hochzukommen – auch an die weniger rühmliche Geschichte des Ortes. Nachdem der Freizeitpark 2001 pleite gegangen war, entschied sich der damalige Betreiber, den Park in Peru wiederaufzubauen und ließ die Gestelle und die Fahrgeschäfte über den Ozean verschiffen. Der Erfolg blieb aus, weshalb es mit der gesamten Fracht wieder zurück nach Berlin gehen sollte. Doch an Bord waren auch 177 Kilogramm Kokain, die noch in Peru entdeckt wurden. „Das ist der Grund, warum heute so wenige Fahrgeschäfte vorhanden sind“, erklärt der Führungsleiter.
Neben der Verbindung zum internationalen Kokainhandel zieht der Freizeitpark aber auch viele Menschen wegen seines rostigen Glanzes und seiner fast mystischen Atmosphäre an. Lost Place-Versessenen dürfte besonders die Achterbahn „Spreeblitz“ gefallen, dessen Gleise wie eine überlange Zunge durch das Maul einer großen Katze führen. Als das Fahrgeschäft noch in einem Freizeitpark in Frankreich stand, von dem es damals aufgekauft wurde, soll es sich laut Tourguide noch um einen Drachen gehandelt haben. „Heute könnte das Katzengesicht sogar als Wildschwein durchgehen“, scherzt er angesichts der großen Aufregung um eine vermeintliche Löwin in Berlin und Brandenburg.
In Zukunft soll das morbide Achterbahngehäuse den Gästen des Spreeparks wieder zugänglich gemacht werden. Der Spukfaktor wird durch weitere Zukunftspläne nicht geschmälert: In der Nähe der ehemaligen Wildwasserbahn sollen sprechende Bäume entstehen. Die Stämme sollen mit digitalen Gesichtern ausgestattet werden, die sich untereinander über die Vorteile, Mensch zu sein, austauschen.
Internationales Filmteam zerbrach mittelalterliche Fenster auf dem Gelände
Weiterhin sollen längst ausgestorbene Lebewesen wieder erweckt werden. Lange Zeit standen Dinosaurier-Skulpturen aus Kunststoff auf dem Gelände des Vergnügungsparks, denen jedoch durch illegale Besuchende teils die Köpfe abgetreten wurden. Die Riesenechsen werden derzeit restauriert und sollen in Zukunft wieder die Wiese des Spreeparks bevölkern.
Nicht die einzige Form von Vandalismus: Abgesehen von unzähligen Graffitis sehen die Gebäude des „Merry Old England“ mitgenommen aus. Schuld daran sind jedoch nicht randalierende Jugendliche, sondern eine internationale Filmcrew, wie der Tourguide erklärt. Für den Film „Wer ist Hanna“ – unter anderem mit den Hollywood-Schauspielerinnen und -Schauspielern Cate Blanchett, Saoirse Ronan und Eric Bana – seien die Fensterscheiben der mittelalterlichen Bauten zerbrochen und Unkraut gepflanzt worden, um die Kulisse noch verödeter wirken zu lassen.
Die Tour endet schließlich am historischen Eierhäuschen, das schon 2022 fertiggestellt werden sollte. Um das rote Backsteingebäude steht zwar ein Zaun, dennoch lässt sich der Ausblick im Biergarten davor genießen. Das Geld, das bei der günstigen Führung im Spreepark gespart wurde, kann hier für spezielle Speisen, wie geräucherter Forelle, hausgemachte Remoulade und eingelegte Radieschen ausgegeben werden. Oder man gönnt sich ein kaltes Getränk, blickt auf die Spree und sammelt Ideen für die zukünftige Nutzung des Spreeparks.
Das müssen Sie wissen:
Führung Spreepark:
Wo? Kiehnwerderallee 1-3, 12437 Berlin
Wann? Jeden Sonnabend, Sonntag und Feiertag gibt es sechs Führungen. In der Regel wird die Führung am Sonnabend um 13 Uhr in englischer Sprache durchgeführt.
Wer? Die Zahl der Teilnehmenden ist auf 30 Personen begrenzt. Tickets sind online und an allen bekannten Vorverkaufsstellen erhältlich.
Wie lange? Die Führungen dauern circa 75 Minuten.
Wie viel? Der Eintritt kostet fünf Euro, ermäßigt drei Euro.
Biergarten zum Anleger – Eierhäuschen:
Wo? Kiehnwerderallee 2, 12437 Berlin
Was? Spezialitäten: zum Beispiel Regionale Jausenplatte für 15 Euro oder Havelländer Bratwurst in Sauerteigschrippe für 5,50 Euro. Dazu ein Landbier für 4,50. Danach ein hausgebackener Kuchen für 4 Euro oder ein Paletas Eis für 3,50 Euro.
